Die Forschungsstelle Judentum arbeitet unter dem Dach des Instituts für Altestamentliche Wissenschaft. Unsere Aufgabe besteht darin, künftigen Pfarrerinnen und Pfarrern, Lehrerinnen und Lehrern sowie darüber hinaus allen Interessentinnen und Interessenten grundlegende Kenntnisse über das Judentumzu vermitteln.
Forschwungsschwerpunkt ist die Literatur des Judentums und der jüdische Glauben. Damit tragen wir zum jüdisch-christlichen Dialog bei.

Die Arbeit der Forschungsstelle Judentum

Die äuβere Gestalt und innere Identität des Judentums speisen sich aus einer Reihe unterschiedlicher Ursprünge und Aufbrüche, die in groβen Literaturwerken ihren Ausdruck fanden. Das Judentum ist eine Religion, die sich aus den Symbolsystemen des alten vorderen Orients herausbildete. Der Tanach, in der christlichen Bibel als Schriften des Alten Testaments enthalten, ist zu einem wesentlichen Teil das Ergebnis dieser Emanzipationsbewegung . Das Judentum ist weiterhin eine Religion, die durch das Wirken der Rabbinen in Spätantike und Frühmittelalter wesentlich geformt wurde und im talmudischen Schrifttum eine innere Achse erhielt. Das Judentum ist schlieβlich eine Religion, die seit dem Hochmittelalter bis in die Gegenwart hinein von philosophischer Reflexion – auf die eigene Tradition wie auch die umgebende Kultur – geprägt ist und Denker wie Maimonides, Moses Mendelssohn oder, in neuerer Zeit, Leo Baeck, Martin Buber und Emmanuel Levinas hervorgebracht hat.

Unsere Veranstaltungen

Das Judentum ist nur in dieser Komplexität seiner Ursprünge, Prägungen und literarischen Hervorbringungen zu verstehen. Entsprechend bietet die Forschungsstelle Vorlesungen, Übungen und Seminaren zu Geschichte, Kultur und Religion des Judentums sowie Einführungen in dessen Traditionsliteratur (Mischna, Talmud, Midrasch, Perusch, Sidur u.a.) an. Diese führen die Studierende in dieser Bandbreite an das Judentum heran. Zum regelmäβigen Lehrangebot gehören Kurse in der neuhebräischen Umgangssprache (Ivrit), das u.a. die Voraussetzung für ein Studium in Israel darstellt. Für unser Veranstaltungsangebot kooperieren wir mit dem Simon Dubnow Institut und dem Religionswissenschaftlichen Institut unserer Universität, sowie dem Seminar für Jüdische Studien der Universität Halle.

Wir schaffen Grundlagen für jüdisch-christlichen Dialog

Auf seine textlichen Grundlagen aufbauend hat sich das Judentum zu allen Zeiten als lebenspraktische Religion verstanden, in der Kultus und Ethos aufs engste miteinander verbunden sind. Liturgie, Fest und Alltagspraxis werden nicht als Umsetzung einer vorgegebenen Dogmatik verstanden, sondern sind selbst der identitätsstiftende Kern des Judentums. Der Zusammenhang von Text und Praxis bildet daher einen Schwerpunkt der Forschungsstelle, gerade auch im Blick auf die Begegnung von Judentum und Christentum in der Gegenwart.

Schließlich ist die Forschungsstelle in besonderer Weise der Geschichte des Judentums in Sachsen und an der Universität Leipzig verbunden. Hier gibt es vielfältige Anknüpfungspunkte, die zur konstruktiven wie kritischen Reflexion auf das Verhältnis von Judentum und Christentum Anlass geben.

Die Geschichte der Forschungsstelle Judentum

Die Forschungsstelle kann in Leipzig auf eine lange Tradition zurückblicken: Franz Delitzsch, ein ausgezeichneter Kenner des Biblischen und Rabbinischen Judentums, gründete im Jahre 1886 das später nach ihm benannte „Institutum Iudaicum”, das nach 1945 in Münster (Westf.) wieder gegründet wurde und dort bis heute besteht. Delitzsch war ein ausgesprochener Gegner der antisemitischen Bewegung in Deutschland und veröffentlichte zahlreiche Repliken gegen die antisemitischen Schmähschriften August Rohlings. Andererseits fungierte das “Institutum Iudaicum” unter Delitzsch auch als wesentliches Zentrum der umstrittenen christlichen Judenmission. Heute finden regelmäßig gemeinsame Blockseminare zwischen dem Delitzschianum in Münster und der Forschungsstelle Judentum in Leipzig statt.

Lazar Gulkowitsch (1898-1941)

Gulkowitsch, Lektor, später Professor für jüdische Studien in Leipzig und Tartu, arbeitete über die jüdische Strömung des Chassidismus, die Kabbala, die hebräische Sprache, Geschichte und Kultur. Gulkowitschs hatte einen Grundstein für die Erforschung jüdischer Religion und Kultur im universitären Rahmen gelegt. Sein bisher wenig bekanntes wissenschaftliches Vermächtnis soll in dem neuen Studienprogramm B. A. Judentum in Tradition und Moderne dem Geiste nach wiederaufleben und so die Universität Leipzig wieder zu einem Zentrum für die Erforschung des Judentum in seiner Multidiemnsionalität werden lassen.

 

Lazar Gulkowitsch wurde am 20. Dezember 1898 in Zirin, damals Teil des Russischen Kaiserreichs, heute Weissrussland, geboren.
Er genoss eine klassische jüdische Ausbildung mit Talmud- und Tora-Studien.
Nach der Besetzung Weissrusslands durch die Bolschewiki verließ er seine Heimat und begann an der Universität Königsberg ein Studium des Alten Testaments, Philosophie und Medizin.
1922 wurde er dort mit der Dissertation über „Wesen und Entstehung der Kabbala“ promoviert.
1924 wurde Lazar Gulkowitsch als Nachfolger von Israel Isser Kahan (1858–1924) auf die Lektorenstelle für „späthebräische, jüdisch-aramäische und talmudische Wissenschaften“ gerufen.
In Leipzig habilitierte er sich 1927 mit der Schrift „Der Hasidismus religionswissenschaftlich untersucht“.
1933 von der nationalsozialistischen Regierung mit Entzug der Stelle bedroht, gelang es Gulkowitsch 1934, eine Berufung nach Tortu/Dorpat in Estland zu erhalten.
Nach Einmarsch der Roten Armee 1940 wurden die jüdischen Studien beendet und kurz darauf nach dem Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion wurde Gulkowitsch mit seiner Familie am 9. Juli 1941 ermordet.

 

Eine seiner wohl bedeutendsten Arbeiten ist die Untersuchung über die „Grundlegung einer begriffsgeschichtlichen Methode in der Sprachwissenschaft“, in der er den Versuch unternimmt, eine Begriffsgeschichte der jüdischen Religionshistorie zu entwickeln.
Über die übliche etymologiche und textgeschichtliche Untersuchung hinaus, suchte er programmatisch nach sozial- und kulturellgeschichtlichen Beiträgen zur Begriffsbildung.
So gewann er sein Verständnis für Entwicklung und Transformationen in Kultur und Religion des Judentums.
Im Unterschied zu anderen Perspektive auf Kabbala und Mystik war Gulkowitsch an den rationalen Elemente dieser Seiten des Judentums interessiert.

Lazar Gulkowitschs Eintrag im Professorenkatalog der Universität Leipzig:

Die Forschungsstelle gibt in unregelmäßiger Folge unter dem Titel „Leqach” Beiträge zur alttestamentlichen und judaistischen Forschung heraus. Das Inhaltsverzeichnis können Sie online einsehen.

 

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