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Prof. Dr. Alexander Deeg und Dr. Kerstin Menzel vom Institut für Praktische Theologie haben gemeinsam mit der evangelischen und katholischen Kirche ein Gebetsformat in Zeiten der Pandemie entwickelt. Bis Karfreitag finden jeden Freitag wechselnd in der Propsteikirche St. Trinitatis und in der Peterskirche Andachten statt, in denen Menschen ihre Situation zur Sprache bringen und dies in Schweigen und Gebet aufgenommen wird. Unter www.klagezeit-leipzig.de wird das Angebot digital begleitet.

Kirche öffnet Räume, in die Menschen mit ihren widersprüchlichen Erfahrungen, Gedanken und Gefühlen eintreten können. Jenseits des Urteils über berechtigte und unberechtigte Anliegen oder den Streit um den politisch richtigen Weg kommen ihre Nöte zur Sprache. Dafür, so glauben die Initiatoren, ist es Zeit die biblischen und gottesdienstlichen Traditionen der Klage stärker zur Geltung zu bringen. In der Klage vor Gott müssen Widersprüche und Spannungen nicht aufgelöst werden. Das gemeinsame Hören, Schweigen und Beten verwandelt die Dinge oft schon, vielleicht mehr, als es ein schnelles Wort des Trostes kann, das oft genug nur die eigene Ohnmacht verdeckt.

Wöchentlich jeden Freitag um 17 Uhr wird eingeladen zur „Klagezeit“ zunächst abwechselnd in der Peterskirche und der Propsteikirche. Auftakt war am 15. Januar in der Propsteikirche. Das nächste Mal wird am 22. Januar zum Gebet in der Peterskirche eingeladen. In einer reichlichen halben Stunde kommen ein oder zwei Menschen zu Wort, die von den Folgen persönlich betroffen sind. Ihre Erfahrungen werden im Gebet aufgenommen. Über die Zeit entsteht eine Mauer aus Ziegelsteinen, von denen jeder Stein für einen Bericht, eine Situation, ein Thema steht. Dorthin können Besucherinnen und Besucher auch ihre eigene Klage bringen.

Im Blick auf die Kontaktbeschränkungen werden wenige Menschen in der Kirche selbst teilnehmen können. Ein Online-Format unter www.klagezeit-leipzig.de bringt das Anliegen ins Netz. Dort kann das Gebet im Livestream mitverfolgt werden. Die Grenze von virtuellem und analogem Raum wird durchlässig. Gebet und Nöte der User im Internet werden real in den Kirchenraum getragen. Auf der Internetseite gibt es eine digitale Klagemauer. Die Gebete und Erfahrungsberichte der vergangenen Freitagsveranstaltungen stehen zum Nachlesen und Anschauen bereit. Hinweise auf weitere kirchliche Angebote im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Coronavirus finden sich ebenfalls.

„Kirchen sind auch ein Ort öffentlicher Trauer.“, sagt Prof. Alexander Deeg: „Gebete in ihnen bieten die Chance, dass sich die wechselseitige Anklage in die gemeinsame Klage vor Gott wendet. Hoffnung, die diesen Namen verdient, entsteht nicht jenseits der Klage, sondern durch Klagen und Schweigen hindurch.“

Ausgangspunkt der Konzeption war die Forschung zu Gottesdiensten in Corona-Zeiten am Lehrstuhl. Die praktisch-theologischen Überlegungen, die dem Angebot zugrunde liegen, werden veröffentlicht unter:

Alexander Deeg, Es wird nicht mehr sein wie vorher. Überlegungen zum Gottesdienstfeiern in Zeiten der Corona-Pandemie und danach, in: Pastoraltheologie, 109 (2020) 9, 417-435

Alexander Deeg, Gottesdienst in Corona-Zeiten: Drei Variationen zum Thema ‚Präsenz‘, in: Evangelische Theologie 81 (2021) 1, i.E.

Kerstin Menzel, „Nur wer klagt, hofft“ – Die „Lügen der Tröster“ in Zeiten der Pandemie, auf: feinschwarz.net, erschienen am 14.1.2021.