Das Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti hat bereits eine lange und bewegte Geschichte.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Ein älterer Herr mit Bart in schwarz-weiß.
Georg Heinrici, Foto: Universitätsarchiv.

Zur Geschichte des Corpus Hellenisticum Novi Testamenti

Die Vorgeschichte des Corpus Hellenisticum Novi Testamenti reicht bis in die Zeit des 1.Weltkrieges zurück. Einen Plan des Leipziger Neutestamentlers Georg Heinrici aufgreifend, hatte der Hallenser Neutestamentler Ernst von Dobschütz, anfänglich auch im Zusammenwirken mit dem Jenaer Kirchenhistoriker und Neutestamentler Hans Lietzmann, die Initiative zur Erarbeitung eines „neuen Wettstein“ ergriffen. Damit war ursprünglich die Neubearbeitung des im 18.Jahrhundert von dem Basler Gelehrten Johann Jakob Wettstein (1693–1754) geschaffenen Sammelwerkes von Parallelen zum Neuen Testament aus der griechischen, lateinischen und rabbinischen Literatur gemeint. Ein etwa zur gleichen Zeit unabhängig davon in England begonnenes ähnliches Vorhaben unter Leitung von F.H. Colson und W.O. Oesterley wurde wenige Jahre später nach kurzen, intensiven Konsultationen im gegenseitigen Einvernehmen zugunsten des deutschen Projekts eingestellt.

Unter von Dobschütz‘ Leitung wurden in Halle bis zu dessen Tod (1934) die Arbeiten am jüdisch-hellenistischen Teil des Projekts intensiv vorangetrieben und schienen schon kurz vor dem Abschluß zu stehen. Zu einer Publikation des Corpus kam es aber nicht, nachdem auch der Nachfolger von Dobschütz‘ in Halle, Hans Windisch, schon ein Jahr später gestorben war. Aus heutiger Sicht scheinen die seinerzeit bereits gesammelten Materialien auch keineswegs ausreichend für eine Publikation gewesen zu sein, wenngleich schon im Juni 1930 ein Probedruck zu Joh 1,1–18 verbreitet worden war.

Noch in den dreißiger Jahren erfolgte die Aufteilung des Projekts in einen judaeo-hellenistischen und einen pagano-hellenistischen Teil. Letzterer wurde zunächst in Uppsala und seit 1956 in Utrecht weiterverfolgt. Seit 1966 gab es unter der Leitung von Hans Dieter Betz zunächst in Claremont, später in Chicago eine weitere Arbeitsstelle des pagano-hellenistischen Teils.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Corpus Hellenisticum dank der Initiative von Kurt Aland in die Arbeitsaufgaben der „Kommission für spätantike Religionsgeschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin“ (Nachfolgerin der Harnackschen „Kirchenväterkommission“) einbezogen. Mit der Weiterführung der Arbeiten am jüdisch-hellenistischen Teil des Projekts wurde der Hallenser Neutestamentler Gerhard Delling betraut. Ihm stand seit 1955 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Corpus Hellenisticum der spätere Jenaer Neutestamentler Nikolaus Walter zur Verfügung. Obwohl in Halle die Arbeitsstelle des Corpus Hellenisticum mit dem bisher gesammelten Material und einer kleinen Bibliothek kontinuierlich präsent war und das Vorhaben dort wenigstens indirekt durch Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der jüdisch-hellenistischen Literatur gefördert werden konnte, war an einen Abschluss und die Publikation des Projekts unter den materiellen und politischen Gegebenheiten in Ostdeutschland bis 1989 nicht zu denken. Seit 1992 wird die Arbeit am Corpus Hellenisticum in Halle unter der Leitung von Udo Schnelle durch Manfred Lang mit der Erarbeitung und Publikation des „Neuen Wettstein“ fortgesetzt.

In Jena wurde unter Federführung von Karl-Wilhelm Niebuhr seit 1997 eine Konzeption zur Erarbeitung des Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti entwickelt. Von 2001 bis 2006 war hier Roland Deines als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projekts an der konzeptionellen Weiterentwicklung beteiligt. 

In der nachfolgenden Zeit scheiterten mehrere Versuche, das Projekt zu finanzieren. Unterdessen wurde die Arbeit über Tagungen und Publikationen im Bereich des jüdisch-hellenistischen Schrifttums in Jena und Leipzig fortgesetzt. Im Jahr 2023 wurden Projektgelder für die Durchführung über die Sächsische Akademie der Wissenschaften bewilligt, sodass das Projekt im April 2024 offiziell starten konnte. Es ist auf 15 Jahre angelegt.

Literatur

  • Die genaueste Darstellung zur Geschichte des Corpus Hellenisticum hat Nikolaus Walter verfasst: Zur Chronik des Corpus Hellenisticum von den Anfängen bis 1955/58, in: W. Kraus / K.-W. Niebuhr (Hgg.), Frühjudentum und Neues Testament im Horizont Biblischer Theologie. Mit einem Anhang zum Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti, WUNT 162, Tübingen 2003, 325–344.

  • Weitere Dokumente aus der Arbeit des Projekts vor 1945 wurden a.a.O., 303–324, abgedruckt.

  • Zu den Perspektiven des Projekts in Geschichte und Gegenwart vgl. K.-W. Niebuhr, Das Corpus Hellenisticum. Anmerkungen zur Geschichte eines Problems a.a.O., 361–379.

  • Zum forschungsgeschichtlichen Kontext vgl. G. Seelig, Religionsgeschichtliche Methode in Vergangenheit und Gegenwart. Studien zur Geschichte und Methode des religionsgeschichtlichen Vergleichs in der neutestamentlichen Wissenschaft (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 7), Leipzig 2001 (zum Corpus Hellenisticum: 122–259).

  • Zum Beitrag Dellings zur Fortführung des Projekts

    • K.-W. Niebuhr, Der Neutestamentler Gerhard Delling (1905–1986) als Erforscher des Frühjudentums, in: G. Delling, Studien zum Frühjudentum. Gesammelte Aufsätze 1971–1987, hg.v. C. Breytenbach / K.-W. Niebuhr, Göttingen 2000, 11–22

    • C. Breytenbach, Perspektiven der Erforschung des Diasporajudentums und des frühen Christentums. Zum Gedenken des 100. Geburtstages Gerhard Dellings, BThZ 23, 2006, 99–115

    • T. Holtz, Gerhard Delling (1905–1986), in: C. Breytenbach / R. Hoppe (Hgg.), Neutestamentliche Wissenschaft nach 1945: Hauptvertreter der deutschsprachigen Exegese in der Darstellung ihrer Schüler, Neukirchen-Vluyn 2008, 177–185.

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