Franz Julius Delitzsch (1813-1890)

Die Forschungsstelle kann in Leipzig auf eine lange Tradition zurückblicken: Franz Delitzsch, ein ausgezeichneter Kenner des Biblischen und Rabbinischen Judentums, gründete im Jahre 1886 das später nach ihm benannte „Institutum Iudaicum”, das nach 1945 in Münster (Westf.) wieder gegründet wurde und dort bis heute besteht. Delitzsch war ein ausgesprochener Gegner der antisemitischen Bewegung in Deutschland und veröffentlichte zahlreiche Repliken gegen die antisemitischen Schmähschriften August Rohlings. Andererseits fungierte das “Institutum Iudaicum” unter Delitzsch auch als wesentliches Zentrum der umstrittenen christlichen Judenmission. Heute finden regelmäßig gemeinsame Blockseminare zwischen dem Delitzschianum in Münster und der Forschungsstelle Judentum in Leipzig statt.

Lazar Gulkowitsch (1898–1941)

Lazar Gulkowitsch, Lektor, später Professor für jüdische Studien in Leipzig und Tartu, arbeitete über die jüdische Strömung des Chassidismus, die Kabbala, die hebräische Sprache, Geschichte und Kultur. Gulkowitsch hatte einen Grundstein für die Erforschung jüdischer Religion und Kultur im universitären Rahmen gelegt. Sein bisher wenig bekanntes wissenschaftliches Vermächtnis soll in dem neuen Studienprogramm B. A. Judentum in Tradition und Moderne dem Geiste nach wiederaufleben und so die Universität Leipzig wieder zu einem Zentrum für die Erforschung des Judentum in seiner Multidimensionalität werden lassen.

Lazar Gulkowitsch wurde am 20. Dezember 1898 in Zirin, damals Teil des Russischen Kaiserreichs, heute Weissrussland, geboren.
Er genoss eine klassische jüdische Ausbildung mit Talmud- und Tora-Studien.
Nach der Besetzung Weissrusslands durch die Bolschewiki verließ er seine Heimat und begann an der Universität Königsberg ein Studium des Alten Testaments, Philosophie und Medizin.
1922 wurde er dort mit der Dissertation über „Wesen und Entstehung der Kabbala“ promoviert.
1924 wurde Lazar Gulkowitsch als Nachfolger von Israel Isser Kahan (1858–1924) auf die Lektorenstelle für „späthebräische, jüdisch-aramäische und talmudische Wissenschaften“ gerufen.
In Leipzig habilitierte er sich 1927 mit der Schrift „Der Hasidismus religionswissenschaftlich untersucht“.
1933 von der nationalsozialistischen Regierung mit Entzug der Stelle bedroht, gelang es Gulkowitsch 1934, eine Berufung nach Tartu/Dorpat in Estland zu erhalten.
Nach Einmarsch der Roten Armee 1940 wurden die jüdischen Studien beendet. Kurz nach dem Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion wurde Gulkowitsch  mit seiner Familie vermutlich am 9. Juli 1941 bei einem Massaker an der jüdischen Bevölkerung von Tartu/Dorpat ermordet.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Die Stolpersteine der Familie Gulkowitsch in der Demmeringstraße in Leipzig-Lindenau, Foto: Nicole Oesterreich. Die Aufsschriften lauten: Frieda Gulkowitsch, geborene Rabinowitz, Jahrgang 1900, Dr. Lazar Gulkowitsch, Jahrgang 1898, Lehrerlaubnis entzogen, Flucht 1934, Lea Gulkowitsch, Jahrgang 1926, Flucht 1934, Dopart Estland, ermordet Juli 1941 SS Einsatzgruppe A und Wehrmacht
Die Stolpersteine der Familie Gulkowitsch in der Demmeringstraße in Leipzig-Lindenau, Foto: Nicole Oesterreich.

Eine seiner wohl bedeutendsten Arbeiten ist die Untersuchung über die „Grundlegung einer begriffsgeschichtlichen Methode in der Sprachwissenschaft“, in der er den Versuch unternimmt, eine Begriffsgeschichte der jüdischen Religionshistorie zu entwickeln. Über die übliche etymologiche und textgeschichtliche Untersuchung hinaus, suchte er programmatisch nach sozial- und kulturgeschichtlichen Beiträgen zur Begriffsbildung.
So gewann er sein Verständnis für Entwicklung und Transformationen in Kultur und Religion des Judentums.
Im Unterschied zu anderen Perspektive auf Kabbala und Mystik war Gulkowitsch an den rationalen Elementen dieser Seiten des Judentums interessiert.

Am ehemaligen Wohnhaus in der Demmeringstraße 58 im Stadtteil Lindenau erinnert heute ein Stolperstein an die Familie Gulgowitsch.

https://www.lindenauerstadtteilverein.de/heimatkunde/stolpersteine-in-lindenau.htm