Das Seminar begann mit einer historischen Stadtführung von Nimrod Baratz durch das „Jüdische Leipzig“. Die Führung thematisierte unter anderem Leipzigs Rolle als Messestadt im Mittelalter, die Bedeutung der sogenannten „Messjuden“, den aufsteigenden Antisemitismus im Zusammenhang mit der Pest und das Mahnmal der zerstörten Leipziger Synagoge. Beim anschließenden Abendessen in der Theologischen Fakultät konnten sich die deutschen und israelischen Studierende kennenlernen. Die Diversität der kulturellen und religiösen Hintergründe der Teilnehmenden war eine große Bereicherung für die Gruppe.
An den folgenden Tage standen spannende Vorträgen und Exkursionen auf dem Programm. Am Montag referierte Prof. Andreas Schüle über Julius Wellhausen und verschiedenen Bibelhermeneutiken, Prof. Yemima Hadad führte in Martin Bubers „Zwei Glaubensweisen“ ein (inklusive Chevruta) und Prof. Asher Biemann referierte August Rohlings antisemitisches Pamphlet „Der Talmudjude“. Gemeinsam mit Prof. Lütze besichtigten die israelischen Studierenden die bedeutenden Leipziger Innenstadtkirchen St. Nikolai, St. Pauli und die Thomaskirche.
Am Dienstag fand eine Exkursion nach Wittenberg statt. An der Wittenberger Schmähplastik (dem sogenannten „Judensau“-Relief an der Stadtkirche) kam es zu einer intensiven Diskussion über Erinnerungskultur, religiöse Sensibilität und den Umgang mit Schandmalen. Einige der Studierenden kritisierten, dass an dem Mahnmal der Gottesname auf den Boden geschrieben wurde. Auch die große räumliche Entfernung des Reliefs und des Mahnmals hat zu Kritik geführt. Die Auseinandersetzung mit dem Relief und dem Mahnmal sowie die Reaktionen einiger israelischer Studierender haben die Notwendigkeit einer kritischen Erinnerungskultur in Deutschland deutlich gemacht.
Am Mittwoch berichtete der Leipziger Rabbiner Zsolt Balla eindrucksvoll von seinem persönlichen Weg zum Rabbiner und seinen Erfahrungen im multireligiösen Dialog. Prof. Katharina von Kellenbach hielt einen spannenden Vortrag zu Jüdisch-Christlichen Beziehungen nach der Shoa. Sie hob hervor, dass diese Beziehung eine Beziehung zwischen Überlebenden und Nachfahren von Tätern ist, dabei erzählte sie auch von ihrer eigenen Familiengeschichte, in der Mitglieder aktiv am NS-Regime beteiligt waren. Dass die Gruppe aus deutschen und israelischen Kommiliton*innen mit familiären Bezügen zur Shoa bestand, wurde bei diesem Vortrag besonders spürbar im Raum.
Weitere Themen des Blockseminars waren christliche Motive im Antisemitismus (Dr. Christian Staffa), Jüdisch-Christliche Beziehungen nach dem II Vatikanischen Konzil (Prof. Karma Ben Johanan), das Judentum als Thema im evangelischen Religionsunterricht in Deutschland (Prof. Frank Lütze), die Repräsentation von Jüd_innen in protestantischen Predigten und protastantischer Liturgie (Prof. Alexander Deeg), sowie die Mendelssohn-Lavater-Kontroverse (Prof. Roderich Barth).
Das Blockseminar war eine besondere Gelegenheit zum intensiven interreligiösen Dialog. Die Erfahrung, in einer deutsch-israelischen Gruppe gemeinsam über die Shoa, theologische Narrative und historische Verantwortung zu sprechen, hat bei vielen Teilnehmenden einen besonderen Eindruck hinterlassen. Viele Studierende haben untereinander Kontakt geknüpft.
Autorin: Paulina Felsch studiert B.A. Judentum in Tradition und Gegenwart sowie Ev. Theologie und ist studentische Hilfskraft bei Prof. Yemima Hadad.