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Am 11.02.2021 fand das erste Treffen des DFG-geförderten Projektes „Multiple Bibelverwendung in der spätmodernen Gesellschaft – Einstellungen zur Bibel und Gebrauch der Bibel sowie ihrer medialen und kulturellen Derivate“ statt. Im Rahmen des Projektes soll die Bibelnutzung und die Einstellung zur Bibel in der deutschen Bevölkerung empirisch untersucht und mit religionssoziologischen und praktisch-theologischen bzw. hermeneutischen Fragestellungen ins Gespräch gebracht werden.

Wer besitzt eigentlich eine Bibel? Wer liest darin und warum? Auf welche Weise wird Bibel gelesen, mit welchen Erwartungen und Vorverständnissen? Welche Rolle spielen mediale Formen (bspw. Bibel-Apps) und kulturelle Derivate (bspw. Wandkalender mit Bibelsprüchen oder Losungsbücher)? Wie blicken Konfessionslose auf die Bibel? Wird ihr individuelle und/oder gesellschaftliche Relevanz beigemessen? Und: Was bedeuten die Antworten auf diese Fragen für unser Verständnis von spätmoderner Religiosität und Säkularität? Was bedeuten sie für den Umgang mit der Bibel in kirchlichen Vollzügen? Und was bedeuten sie für das Selbstverständnis einer „Kirche des Wortes“?

Diese und zahlreiche anschließende Fragestellungen beschäftigen in den kommenden drei Jahren ein interdisziplinäres Team der Universität Leipzig bestehend aus Prof. Dr. Gert Pickel und Yvonne Jaeckel (Religionssoziologie) sowie Prof. Dr. Alexander Deeg und Anika Melix (Praktische Theologie).

Bisher ist zur konkreten Bibelnutzung und Einstellung zur Bibel wenig Belastbares bekannt. Die letzten breit angelegten empirischen Untersuchungen zum Gebrauch der Bibel (Daiber/Lukatis 1991) stammen aus den 1980er Jahren. Die Forschungslücke erweist sich – ob des zeitlichen Abstands und angesichts der medialen Umbrüche und der Veränderungen der gesellschaftlichen und kirchlichen Situation in den letzten Jahrzehnten – als immens.

Hier setzt das Forschungsteam an. Ziel ist es, auf Grundlage eines Mixed-Method-Designs – eine breit angelegte repräsentative Befragung wird durch einen qualitativen Studienteil flankiert – belastbares Datenmaterial zu generieren, welches dann in den religionssoziologischen Diskurs sowie in den Diskurs (praktisch-)theologischer Hermeneutik eingebunden werden kann. Im gesamten Erhebungsprozess und besonders für die Diskussion der Ergebnisse ist eine Konsultation mit Exeget:innen, Systematischen Theolog:innen in ökumenischer Weite sowie Kulturwissenschaftler:innen vorgesehen.

„Für meinen Glauben ist die Bibel zentral, aber heute liest sie ohnehin niemand mehr…“ Solche und ähnliche resignative Aussagen heutiger Christinnen und Christen könnten in Zukunft auf empirische Basis gestellt werden – oder aber „heilig, aber ungelesen“ beschreibt nicht im Entferntesten die vielfältige Realität, die sich mit Bibelnutzung und Bibelverständnis verbindet. Man darf gespannt sein!