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Zum zweiten Mal war es für Studierende möglich, an einem Seminar teilzunehmen, das im Kontext der jährlichen Konferenz der „Internationalen Gesellschaft für Tiefenpsychologie“ gemeinsam von Prof. Dr. Johanna Haberer (Erlangen) und Prof. Dr. Alexander Deeg gestaltet wurde. Die Studierenden reisten nach Lindau und nahmen vom 29.10. bis 02.11.23 an der Konferenz sowie an dem Seminar teil. Inhaltlich ging es dabei um das Phänomen der „Stille“, das bibiblisch, in der Kunst sowie in unterschiedlichen religiösen Kontexten betrachtet wurde.

Die Seminarteilnehmer:innen Hannah Bick, Judith Spahmann, Anna Magdalena Widmer, Felicitas Simmat, Elias Pries und Carl Voigt über ihre Erlebnisse und Erfahrungen während des Seminars:

Wer wissenschaftlich forscht und zu belastbaren Ergebnissen kommen will, kommt nicht darum herum, sich auch außerhalb seines konkreten Forschungsgebietes zu bewegen und gegebenenfalls die Erkenntnisse eben dieser anderen Wissenschaften mit einzubeziehen. Dies bietet die Chance, Methoden und Erkenntnisse in Beziehung zu bringen beziehungsweise in einem fruchtbaren Dialog zu erfahren. Wie Bäume, die sich untereinander verwurzeln, um Nährstoffe auszutauschen, Duftstoffe freizusetzen und sich beim Pollenflug abzustimmen; kurz gesagt: um einander zu helfen, ihr Überleben zu sichern. Der Baum des (wissenschaftlichen Über-) Lebens dient hier als Bild für das, was sich die Internationale Gesellschaft für Tiefenpsychologie zum Leitfaden gemacht hat. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, wendet sie sich gegen die Zersplitterung der Erkenntnis und damit hin zu einem interdisziplinären Austausch unter den Heilungsberufen, die von psychotherapeutischen und seelsorgerlichen, über pädagogische hinzu soziologischen (und vielen weiteren) Professionen reicht. Die IGT veranstaltet mehrere Tagungen und Treffen, bei denen dieser Dialog (man möchte schon fast von „Symphonie“ sprechen) gepflegt wird.

Wir, als eine kleine Gruppe von Studierenden der Theologie aus Leipzig, hatten das Privileg an der Herbsttagung in Lindau teilzunehmen. Als Seminarfahrt im Rahmen des von Herrn Professor Deeg organisierten und zusammen mit Frau Professorin Haberer durchgeführten Blockseminars, war es uns möglich mit vielen Vertreterinnen und Vertretern anderer Disziplinen in den Austausch zu kommen. Hauptsächlich hat sich dies durch die Gastvorträge, die jeweils am Vormittag stattgefunden haben, ermöglicht. Von neun Uhr bis halb eins gab es zwei Vorträge mit der anschließenden Möglichkeit plenarisch Fragen zu stellen, Kritik zu äußern und damit eigene Standpunkte zu vertreten. Ehrlicherweise waren wir später geborenen Teilnehmenden der Theologischen Fakultät Leipzig etwas schüchtern. Doch was sich Dank der immensen Aufgeschlossenheit und Freude sowie einer schlichten Dankbarkeit der früher Geborenen uns gegenüber gezeigt hat, fand sein Ergebnis in gemeinsamen Spaziergängen durch die Altstadt der Insel Lindau. Aber auch bei spontanen Treffen in Cafés und Gesprächen zwischen, nach und während der ganzen Tagung. Wir konnten genauso an den Diskussionen und Fragerunden partizipieren, wie die den Altersdurchschnitt prägende Mehrheit der Teilnehmenden der Tagung. Die ängstliche Ehrfurcht vor approbierten, wissenschaftsausübenden Menschen hat sich recht schnell gelegt. Durch Aussagen wie: „Ach, das ist aber schön, dass ihr jungen Leute auch mit dabei seid.“, „Es ist so wichtig, dass hier auch mal jüngere mit dabei sind.“ oder „Eure Fragen und Kritikpunkte sind wirklich interessant. Man hört euch gerne zu.“ wurden wir herzlich willkommen geheißen.

Natürlich gehört es auch zum wissenschaftlichen Dialog, sich Meinungen anzuhören, die einem fragwürdig erscheinen. Denn was wäre wahrhaftiger Austausch, wenn stets nur das in Augenschein genommen wird, was niemandem auf die Füße treten könnte. Wenn wir also von gesellschaftlichen Themen wie Klimawandel, Angst, Verzicht,
Konfliktfähigkeit und dem dazugehörigen Stress in den Vorträgen gehört haben - also vom „Miteinander, Gegeneinander, Durcheinander“ (so der Titel der Tagung) – und in Diskussionen auch unsere Meinung gehört wurde, dann stand doch eigentlich immer im Hintergrund und als Basis all dessen eine Art demokratische Bildung, die so umfassend war, dass sie (fast) nicht angesprochen werden musste. Wahrhaftige wissenschaftliche Erkenntnis kann nur in einer Demokratie Früchte tragen, die von mehreren Generationen nachhaltig genutzt werden können. Ganz konkret spiegelte sich das in dem Seminar von Herrn Deeg und Frau Haberer wider, welches am Nachmittag, als eines von mehreren stattfand. Thema dieser Einheit waren die phänomenologischen Aspekte der Stille. Diese haben ihren Wiederklang in John Cages „4‘33“, aber auch den biblischen Erzählungen um den Propheten Elia im ersten Buch der Könige, sowie in der Stillung des Seesturmes durch Jesus Christus im Markusevangelium gefunden. Zum Einstieg haben wir „Schweige und Höre, //neige deines Herzens Ohr, // suche den Frieden“ im Kanon gesungen. Die letzte Sitzung dieses Seminars hat als Andacht in der Kirche zu St. Stephan stattgefunden, die im Zuge des Zusammenkommens von Teilnehmenden vorbereitet wurde.

Die durch und durch bereichernde Erfahrung wurde nicht zuletzt auch mit kulturellen Akzenten abgerundet. Es gab eine Kostprobe von herbsüßer Melancholie der Jugend in samtraue Gitarrenklänge gegossene und von Fernweh geläuterte Aufnahmequalität, die von der Singersongwriterin MALVA komponiert und von ihrem guten Freund Quirin produziert wurden. Aber auch der Tanzabend am letzten Abend der Tagung bot die Möglichkeit einmal abseits vom wissenschaftlichen Diskurs, in feierlicher Atmosphäre eine schöne Zeit zu haben.

Die Seminargruppe bedankt sich herzlichst bei Herrn Professor Deeg und Frau Professorin Haberer für die Möglichkeit, an so einer Tagung teilzunehmen, die zweifelsfrei eine gelungene und fruchtbare Abwechslung zum Universitätsalltag war, bei der wir Studierenden die Ehre hatten mit den Human- und Gesellschaftswissenschaften in Kontakt zu treten.

Um eine Erfahrung im Studium reicher und allen in Dankbarkeit verbunden, die dies möglich gemacht haben:
Hannah Bick
Judith Spahmann
Anna Magdalena Widmer
Felicitas Simmat
Elias Pries
Carl Voigt