Mit Vorträgen von:
Jan Rohls (München), Cheryce von Xylander (Lüneburg), Marianne Schröter (Brandenburg/Havel), Karl Tetzlaff (Halle/Wittenberg), Rochus Leonhardt (Leipzig), Valentina Dafne De Vita (Wittenberg), Jonas Flöter (Leipzig)
Datum:
28.–29.3.2025
Ort:
LEUCOREA – Stiftung des öffentlichen Rechts
Collegienstraße 62
06886 Lutherstadt Wittenberg
Die Tagung ist Teil des Forschungsprojektes “Ethik um 1800. Transformationen reformatorischer Gesellschaftstheorie am Beginn der Moderne” (Prof. Dr. Rochus Leonhardt, Dr. Karl Tetzlaff).
Zu Wilhelm Traugott Krug (1770–1842)
Der heute nahezu in Vergessenheit geratene Philosoph Wilhelm Traugott Krug (22. Juni 1770 bis 12. Januar 1842) war einer der populärsten Denker seiner Zeit. Er veröffentlichte zu Lebzeiten mehr als 200 Schriften über Philosophie, Theologie und Politik. Geboren und aufgewachsen in Radis, studierte er – nach seiner Schulzeit in Gräfenhainichen und an der Landesschule Pforta – ab 1788 an der Leucorea in Wittenberg, wo er 1791 zum Doktor der Philosophie promoviert wurde. Im Anschluss an seine Habilitation 1794 wirkte er ebendort bis 1801 als Hochschullehrer. Seine weiteren Lebensstationen führten ihn als Nachfolger Immanuel Kants nach Königsberg und schließlich 1809 an die Universität Leipzig, wo er von 1830 bis 1834 als Rektor amtierte. Als Universitätsvertreter war Krug zudem 1833/34 Abgeordneter der I. Kammer des ersten konstitutionellen Sächsischen Landtags. Ein Jahr vor seinem Tod wurde er zum Ehrenbürger von Leipzig ernannt.
Als reformorientierter Vertreter von Rechtsstaatlichkeit und Liberalismus im deutschen Vormärz gehört Krug zu den interessantesten Denkern des beginnenden 19. Jahrhunderts. Vieles von dem, was er publizistisch oder praktisch angeregt bzw. durchgesetzt hat, hat sich als nachhaltig erwiesen oder ist gegenwärtig noch immer oder wieder virulent. Hier seien exemplarisch drei Punkte erwähnt.
(1) Während seines Leipziger Rektorats setzte Krug die Abschaffung der seit der Gründung der Leipziger Universität bestehenden Einteilung des universitären Lehrkörpers in vier Nationen durch; ihm verdankt die Alma Mater Lipsiensis ihren modernen Zuschnitt.
(2) Im Sächsischen Landtag setzte sich Krug insbesondere für die Emanzipation von unterdrückten bzw. unterrepräsentierten Bevölkerungsschichten ein. Er unterstützte namentlich die Zulassung von Frauen zu Landtagsdebatten in Sachsen und die Pressenfreiheit.
(3) Im Auftrag der israelitischen Gemeinde Dresden erarbeitete Krug eine Petition zur Emanzipation der Juden im Königreich Sachsen; sie wurde von Emanzipationsgegnern heftig bekämpft.
Im Blick auf den zuletzt genannten Punkt hat Uwe Backes, der stellvertretende Direktor des Hannah-Arendt-Instituts, hervorgehoben, dass es von höchster Wichtigkeit ist, das Denken des Popularphilosophen Krug gerade gegenwärtig zu popularisieren. Es wäre wichtig, dass „jedes Schulkind ihn [scil. Krug] – zumindest in Sachsen – kennenlernen und [er] in der politischen Bildung […] gebührende Würdigung erfahren [würde].“[1] In der Tat hat Krug geltend gemacht, dass die damals kultivierten Vorurteile gegenüber Jüdinnen und Juden nicht nur falsch, sondern oft auch Ergebnis der sozialen Ausgrenzung dieser Bevölkerungsteile waren.[2] Krug betone zudem, dass der Pluralismus in der Gesellschaft auch in Bezug auf Religionen die allgemeine Wohlfahrt und Entwicklung der Kultur befördere.[3] Zudem seien diese (antisemitischen) Vorurteile gegenüber „Eingeborenen desselben Landes“ nicht gerechtfertigt, da zum Zusammenleben der Menschen die Pflicht gehöre, unabhängig von der Religion „sich als Brüder zu lieben, folglich als volle Staatsbürger einander zu achten“ [4].
Ziel der Tagung ist es, der Aktualität seines Denkens aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven (Philosophie, Theologie, Erziehungswissenschaft) nachzugehen. Dabei soll – Krugs popularphilosophischem Ansatz entsprechend – dezidiert auch ein fachlich nicht ausgewiesenes Publikum angesprochen werden.
[1] U. Backes, Der Philosoph Wilhelm Traugott Krug: Seine Stellung im vormärzlichen Liberalismus und sein Wirken für die Judenemanzipation in Sachsen, in Bausteine einer jüdischen Geschichte der Universität Leipzig, hrsg. S. Wendehorst (Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2006), 483.
[2] W. T. Krug, Über das Verhältnis verschiedener Religionspartei zum Staate und über die Emanzipation der Juden (Jena 1828).
[3] A.a.O., 8.
[4] A.a.O., 27.